Stralsund zu Preußen 1815

Neuvorpommern wurde der Teil Vorpommerns genannt der, mit dem Wiener Kongress 1815, an Preußen kam. Das Gebiet von Neuvorpommern entsprach dem vorherigen Schwedisch-Vorpommern in der Ausdehnung, wie es nach dem Frieden von Stockholm 1720 verblieben war, umfasste also Vorpommern nördlich der Peene, einschließlich der Insel Rügen. Unter besonderer Hervorhebung von Rügen wurde für Neuvorpommern auch die Bezeichnung Neuvorpommern und Rügen verwendet. Der feierliche Akt der übergabe Pommerns fand im Regierungs-Palais in der Badenstraße 17 statt.
Stralsund Tatsächlich war es ein Festakt, mit dem Pommern von Schweden an Preußen übergeben wurde. Auf Einladung des Fürsten Malte von Putbus hatten sich am 23. Oktober 1815 im Großen Saal des schwedischen Regierungssitzes in Stralsund (Badenstraße 17) nicht nur Vertreter der höchsten und höheren Landesbehörden versammelt. Anwesend waren auch Deputierte der Ritterschaft, der Städte, der Geistlichkeit und Vertreter der Universität Greifswald sowie sämtliche Militärchefs der Region. Im Halbzirkel aufgestellt, warteten sie auf das öffnen der beiden Seitentüren. Durch die betraten gemeinsam Punkt elf Uhr die vom schwedischen und preußischen König auserkorenen Bevollmächtigten mit ihrem Gefolge den Saal: Der schwedische Generalleutnant Baron von Boye und der Geheime Staatsminister und Oberpräsident Karl Heinrich Ludwig Freiherr von Ingersleben.
Nach dem Verlesen und dem Austausch der Bevollmächtigungsschreiben ihrer Könige leitete Baron von Boye sofort zum Zweck und Anliegen dieser für beide Königreiche historischen Zusammenkunft über, indem er das übergabe-Patent verlesen ließ. Dieses hatten bereits am 7. Juni 1815 auf dem Wiener Kongress der König von Schweden Karl XIII. und der König von Preußen Friedrich Wilhelm III. unterzeichnet. In ihm bekundete Karl XIII., dass er dem preußischen König Friedrich Wilhelm III. alle "Uns noch zustehenden Rechte und Ansprüche auf das Herzogtum Pommern und das Fürstentum Rügen abgetreten" habe. "Empfangt nun, da Ihr von Schweden scheidet, den Ausdruck unserer Dankbarkeit (und somit) entbinden Wir Euch des Eides der Treue, welchen Ihr Uns geleistet habt." Damit war eine mehr als anderthalb Jahrhunderte währende schwedische Besatzung des Gebietes zwischen Peene und Recknitz beendet. Nach diesem übergabe-Akt war es dem Freiherrn von Ingersleben vorbehalten, das Besitznahmepatent des Preußischen Königs zu verkünden. Darin hieß es unter anderem: Nachdem der König der Schweden das „von Ihm besessene Herzogtum Pommern nebst Fürstentum Rügen sowie alle Inseln, Festungen, Städte und Landschaften an Uns und Unsere Nachfolge feierlichst und für ewige Zeiten abgetreten habe und auch die Einwohner aus ihren Pflichten gegen ihren vormaligen Landesherren ausdrücklich entlassen habe, so nehmen Wir das Herzogtum Pommern und das Fürstentum Rügen mit allen Rechten, Landeshoheiten und Oberherrlichkeiten für jetzt und ewige Zeiten in unseren Besitz". Weiterhin versicherte der König in dem Patent den neuen Untertanen königlichen Schutz. Die Beamten sollten auf ihren Posten und im Genuss ihres Gehaltes und ihrer Nebeneinkommen bleiben. Auch die städtischen Verfassungen galten weiterhin. Anschließend wandten sich beide Bevollmächtigten in persönlichen Ansprachen an die Anwesenden. Boye bedankte sich „ergriffen vom Schmerz der Trennung“ bei den Landesbehörden für ihren Eifer gegenüber der schwedischen Krone, während sein Dank an die Landesstände ihre Ergebenheit mit einschloss. Sein preußischer Kollege richtete sich in "Würde an die Pommern und Rügier" und endete pathetisch mit den Worten: "Welch eine schöne Aussicht in eine Zukunft für Euch und Eure Nachkommen."1)

Aus der Rede des Huldigungskommissars Staatsminister Freiherrn von Ingersleben möge ein Satz angeführt werden. Gegen Ende derselben sagte er: „Geben sie sich mit zuversichtlichem Vertrauen der Regierung und dem Zepter des Königs gern hin, der seit seiner Thronbesteigung heute vor 18 Jahren sich die Herzen aller seiner Untertanen zu eigen gemacht, der vor Allem gerecht gut und weise genannt und der allgemein als der Vater seines Volks geliebt und verehrt wird." Der Führer und Sprecher der Ritterschaft Oberst-Lieutenant und Hofmarschall Graf Friedrich Bohlen auf Carlsburg antwortete: "Unser Stolz wird es von nun an sein, Ihm dem Könige Friedrich Wilhelm anzugehören, unsere Freude Sein gnädiges Wohlwollen zu erlangen und unser unablässiges Bestreben Ihm unsere ehrerbietige Liebe unsere und unser unablässiges Bestreben Ihm unsere ehrerbietige Liebe unsere unerschütterliche Treue zu Tage zu legen und zu beweisen, dass wir auch unter einer auswärtigen Regierung nicht verlernt haben Deutsche zu sein."


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Friedrich Wilhelm III. Friedrich Wilhelm III.
Danach begaben sich alle Teilnehmer zum Strelasund, wo bereits mit klingendem Spiel und fliegenden Fahnen zwei Infanterieregimenter aufgezogen waren, um aus der schwedischen Armee entlassen zu werden. Laute und exakte Kommandos teilten die Regimenter in vier Kolonnen, die die Militärs und Zivilpersonen einschlossen. Nachdem Boye die Soldaten aus dem auf die schwedische Krone geleisteten Eid entlassen hatte, verabschiedete er sich mit einer herzlichen Umarmung aller Offiziere von seinen ehemaligen Waffenbrüdern. Nunmehr wurden zunächst die Offiziere der angetretenen Regimenter auf ihren neuen Kriegsherren vereidigt, die dann wiederum den Soldaten den Eid abnahmen Das Absingen einiger Strophen des Chorals „Nun danket alle Gott“ und dem gemeinsamen Gebet, bei dem alle Anwesenden niederknieten, beendete das militärische Zeremoniell.
Mit einem letzten Lebehoch marschierten die Regimenter an den Gästen vorbei zum Alten Markt, um dort die bisher geführten schwedischen Fahnen an Boye zu übergeben. Wenige Stunden später vereidigte von Ingersleben die höchsten Zivilpersonen der Provinz auf den neuen Landesherren. Diese, sowie die Abordnungen aller Stände und der Baron von Boye mit seinem Gefolge vereinte am Abend ein großes Dinner, das mit einem dreifachen Lebehoch auf die Könige von Schweden und Preußen endete.1)

Politische Entwicklung

Den Stralsundern und Vorpommern sicherte der König Schutz zu und den Erhalt der ständischen Verfassung, die er jedoch der den gesamten Staaten zu gewährenden allgemeinen Verfassung anschließen wollte. 2) Die alte Stadtverfassung, der Erb- und Bürgervertrag aus dem 17. Jahrhundert, teilte die Einwohner noch immer in drei Grade auf. In der Sitzung des Rates am 25. Oktober 1815 äußerten die Bürgermeister und Ratsmitglieder jedoch die Vermutung, "dass es möglicherweise auf die Einführung einer neuen Verfassung oder doch mancherlei Neuerungen abzusehen“ wäre. 3) Bürgermeister David Lukas Kühl wurde im Dezember 1815 nach Berlin entsandt, um vom König die alten Rechte bestätigt zu bekommen, jedoch wurde der Delegation keine Audienz gewährt; Kühl begegnete dem König dann auf einem Neujahrsball und wurde von ihm mit Floskeln abgefertigt. 4) Neuvorpommern wurde ein Teil der preußischen Provinz Pommern und bildete dort von 1818 bis 1932 den Regierungsbezirk Stralsund, behielt aber noch mindestens bis zur Rechtsreform in Preußen von 1849 eine rechtliche Sonderstellung, die sich aus den Wiener Verträgen von 1815 ergab und die der König unbedingt einhalten wollte. So wurde aus den bisherigen Ständen Neuvorpommerns 1823 ein Kommunallandtag von Neuvorpommern und Rügen gebildet, der bis 1881 bestand. 5) Der daneben ebenfalls 1823 gebildete Pommersche Provinziallandtag wurde getrennt nach Neuvorpommern, Altvorpommern und Hinterpommern gewählt. 6) Mit dem allmählichen Verlust dieser Sonderstellung wurde auch der Name Neuvorpommern ungebräuchlich.

1) Von Schweden zu Preußen: „Am 23. Oktober 1815 wurden Pommern und Rügen offiziell übergeben, Fürst Malte empfing die Königs-Boten“ Katja Jensch, Interdisziplinäres Institut für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit (IKFN), Universität Osnabrück
2) Stadtarchiv Stralsund, P121
3) Ratsprotokoll vom 25. Oktober 1815.
4) Fritz Adler (Hrsg.): Lebensgeschichte des Bürgermeisters David Lukas Kühl. Stralsund 1925, S. 114.
5) Harald Lutter: Zur verfassungsgeschichtlichen Stellung des Provinzialverbandes Pommern und seiner ständischen Vorformen. In: Baltische Studien. NF Bd. 80, 1994, ISSN 0067-3099, S. 67.
6) Theodor Wengler: Der Provinzialverband Pommern. Verzeichnis der Mitglieder des Provinziallandtages. Böhlau Verlag, Köln u. a. 2008, ISBN 978-3-412-20109-8, S. 2 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Pommern. Reihe V, Bd. 44).

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=> Französische Herrschaft
=> Ferdinand von Schill
=> Preußenzeit - Übergabe an Preußen

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